"Aus dem Jungen wird eh nichts"

Ich bin Jamal. Meine Freunde würden mich als lässigen, weltoffenen und herzlichen Typen beschreiben. Die Sorte Mann, die man im Restaurant beim Business-Lunch antrifft oder im Co-Working Space an der Kaffeebar. Ich habe eigentlich immer ein Lächeln auf den Lippen, bin freundlich zu jeder und jedem, der mir begegnet und bin der festen Überzeugung, dass es in Deutschland für jede Person einen Platz gibt.

Leider wurde mir in meiner Lebensgeschichte nicht dieselbe Offenheit entgegengebracht. Obwohl ich in Frankfurt geboren und aufgewachsen bin, wurde ich von klein auf daran erinnert, dass ich irgendwie anders bin. Dass ich anders aussehe. Denn: Ich bin schwarz. Meine Hautfarbe war Grund genug, dass ich meine Kindheit nicht so unbeschwert in Erinnerung habe wie manch anderer meiner weißen Freunde. 


Der Rassismus fing in der Schule früh an und wurde durch meine Entscheidung, mit 13 Jahren das erste Mal an Ramadan zu fasten, bestärkt. Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime und dauert etwa 30 Tage an. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang wird weder Wasser getrunken noch gegessen. Nachdem die Sonne untergegangen ist, finden sich alle Fastenden mit Familie und Freunden zusammen und genießen ein großes Festmahl. Der Ramadan stellt eine der 5 Säulen des Islams dar und soll die Fastenden in Barmherzigkeit mit Armen und Schwachen üben. 

Mehr und mehr wurde ich zum Außenseiter und begann mich einsam zu fühlen. Meine Lehrer:innen gaben mir von Anfang an nicht dieselbe Chance wie meine Mitschüler:innen – ich hatte immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein. “Aus dem Jungen wird eh nichts” oder “Brauchst dich gar nicht anstrengen, dich stellt nachher keiner ein” waren Sätze, die ich nicht nur einmal während der Schullaufbahn zu hören bekam.

Zum Glück hatte ich außerhalb der Schule ein paar Freunde, die ich in der Moschee und über Bekannte kennenlernte. So fand ich ein Netzwerk, in dem ich meinen Frust über die Schule und die mir entgegengebrachte Ungerechtigkeit loswerden konnte. Zu meiner Überraschung teilten viele Bekannte und Freunde von mir meinen Frust und berichteten über ähnliche Erfahrungen. Anstatt uns in Mitleid zu suhlen und uns darüber aufzuregen, wie unfair die Welt ist, schöpften wir als Gruppe Kraft daraus, eine Gemeinschaft gefunden zu haben. Wir fingen an, uns gegenseitig zu motivieren, um allen zu beweisen, was wir können und dass wir eine Chance verdient haben.

Ich setzte mich hin, lernte für jede Prüfung und bestand letztendlich mein Abitur - auch wenn viele Lehrer:innen mir davon abrieten, mich überhaupt an der Prüfung anzumelden. Frei nach dem Motto “Es muss ja nicht jede:r Abitur machen” wollten sie mir sogar den Versuch, das Abitur zu schreiben, ausreden. Doch ich blieb standhaft.

Nach dem bestandenen Abitur ging ich an die Universität, um Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Schon während des Studiums startete ich mein eigenes Online Business. Schritt für Schritt wuchs ich mehr und mehr in die Unternehmerrolle rein. Heute bin ich, mit dem abgeschlossenen BWL-Studium in der Tasche, Betreiber meines eigenen Online-Shops und vertreibe eine Vielzahl von Sportartikel. Mein Unternehmen beschäftigt mittlerweile mehrere Mitarbeiter:innen.

Ich bin glücklich, erfolgreich und dankbar. Dankbar, dass ich an mich geglaubt habe und trotz meines steinigen Weges dort angekommen bin, wo ich heute stehe. Um ein Stück meiner Geschichte und meines Erfolges zu teilen, biete ich Nachhilfeunterricht in der Moschee an, um Jüngeren als Vorbild zu dienen. Ich möchte ihnen zeigen, dass alles möglich ist, auch wenn niemand an sie glaubt außer sie selbst. Ich versuche ihnen das Selbstvertrauen zu geben, das ich mir hart erkämpfen musste, um ihnen so langfristig zu einem besseren Leben zu verhelfen.