Thomas Sugrues Rezension von Essad Beys Mohammad-Biographie
Der folgende Text erschien 1930 in der New Yorker Zeitung "Herald Tribune"
Mohammed war ein Prophet, aber er wirkte kein einziges Wunder. Er war kein Mystiker; er war kein Gelehrter; er führte bis zu seinem 40. Lebensjahr ein völlig »normales« weltliches Leben. Als er verkündete, er sei der Prophet Gottes und bringe das Wort der wahren Religion, wurde er verspottet und als Wahnsinniger beschimpft. Die Kinder verfolgten ihn johlend durch die Straßen, die Frauen bewarfen ihn mit Unrat. Er wurde aus seiner Heimatstadt Mekka gejagt; man beraubte seine Anhänger all ihrer Habe und trieb sie gleichfalls in die Wüste. Seine zehnjährige Predigertätigkeit brachte ihm scheinbar nichts anderes ein als Armut, Verbannung und Spott. Doch noch vor Ablauf eines weiteren Jahrzehnts war er zum Gebieter aller Araber, zum Herrscher über Mekka und zum Oberhaupt einer neuen Weltreligion geworden, die sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte bis zu den Pyrenäen und zur Donau und nach Osten hin bis nach Indonesien ausbreitete.
Mohammed entstammte dem verarmten Zweig einer vornehmen mekkanischen Familie. Weil in der Stadt - dem »Kreuzweg der Welt«, Standort des magischen Kaaba-Steins und Knotenpunkt der wichtigsten Handelsrouten unhygienische Verhältnisse herrschten, wurden die Kinder in die Wüste geschickt und von Beduinen aufgezogen. So wuchs auch Mohammed in den Lagern der Nomaden heran. Eine Zeitlang hütete er Schafe, dann trat er als Karawanenführer in die Dienste einer reichen Witwe. Er bereiste weite Teile des Orients, sprach mit Männern unterschiedlichen Glaubens und beobachtete den Zerfall des Christentums in einander bekämpfende Sekten.
Als er 28 Jahre alt war, trug ihm Chadidscha, die Witwe, ihre Hand an, und sie heirateten. Die nächsten zwölf Jahre lebte Mohammed als reicher, geschickter und geachteter Kaufmann. Dann begann er, regelmäßig in die Wüste hinauszuwandern, um sich dort religiösen Übungen hinzugeben.
Eines Tages kehrte er mit dem ersten Vers des Korans zurück und erzählte Chadidscha, der Erzengel Gabriel sei ihm erschienen und habe ihm eröffnet, er, Mohammed, sei der Prophet des alleinigen Gottes. Der Koran, nach islamischem Glauben das offenbarte Wort Allahs, ist das einzige, was in Mohammeds Leben an ein Wunder denken läßt. Dieser Mann war kein Dichter, er hatte nie mit der Sprache gespielt - dennoch waren die Verse, die er den Gläubigen vortrug, besser als alles, was die professionellen Dichter der Stämme hervorzubringen vermochten. Das war für die Araber das Wunder: Ihnen galt die Gabe des Wortes als das größte Geschenk, der Dichter als vor allen Menschen ausgezeichnet. Aber der Koran sagte, alle Menschen seien vor Gott gleich und die Welt solle ein »demokratischer« Staat sein: der Islam. Das war politische Ketzerei, und dasselbe galt für Mohammeds Absicht, die 360 Götterbilder, die im Hof der Kaaba standen, zu zertrümmern - lockten diese Idole doch zahllose Gläubige nach Mekka, die dort viel Geld ließen. So fielen die Geschäftsleute von Mekka über Mohammed her und jagten ihn aus der Stadt.
Der Prophet floh in die Wüste und forderte von nun an die Weltherrschaft. Der Siegeszug des Islam hatte begonnen. Aus der Wüste brach sich ein lodernder Feuersturm Bahn, den niemand mehr zu löschen vermochte - ein Heer gleichberechtigter Krieger, die, ohne mit der Wimper zu zucken, bereit waren, ihr Leben für den neuen Glauben zu opfern. Mohammed hatte Juden und Christen aufgefordert, sich mit ihm zu verbünden: Er wollte keine neue Religion gründen. Er rief alle auf, die an den alleinigen Gott glaubten, sich zu einem einzigen Bekenntnis zusammenzuschließen. Hätten Juden und Christen seinen Vorschlag angenommen, hätte der Islam die ganze Welt erobert. Sie taten es nicht. Sie wollten nicht einmal Mohammeds humanere Form der Kriegsführung übernehmen. Als die Armeen des Propheten Jerusalem einnahmen, wurde kein einziger Mensch wegen seines Glaubens getötet. Als Jahrhunderte später die Kreuzfahrer die Stadt eroberten, wurde kein Moslem, ob Mann, Frau oder Kind, am Leben gelassen. Nur eine einzige »Erfindung« der Moslems wurde von den Christen übernommen: die Universität.